Das „Rezo“-Phänomen

„Rezo“ hier, „Rezo“ da, „Rezo“ ist plötzlich überall, selbst bei denen die gar nicht wissen wer er ist, geschweige denn je ein Video von ihm gesehen haben. Doch jeder will darüber reden können, jeder muss unbedingt seinen Senf dazugeben und ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, die meisten liegen ganz weit daneben.

War das „Rezo“-Video oder der später folgende Aufruf von erst 70+, später 90+ Youtubern ein Bestandteil der jüngsten Ereignisse? Ohne jeden Zweifel! Aber war es der wesentliche Bestandteil? Nein! Nur scheinen das sehr viele „Kommentatoren“ zu diesem Thema nicht zu begreifen.

Grundsätzlich steht es mit der deutschen Politik nicht gerade zum Besten. Ob „Hartz IV“, dass egal aus welcher menschlichen Sichtweise ein kompletter Fehlgriff ist. Ob das „Steuersystem“ (z.B. Einkommensteuer), dass so verkompliziert wurde, dass selbst Fachleute nicht mehr wirklich durchsehen. Ob das vollkommen verkorkste „Verwaltungssystem“, wo selbst die Ummeldung der Hausnummer zu einem riesen Akt wird. Oder eben jüngst die Urheberrechtsreform (insbesondere Artikel 13), die keine ist und die „Friday for Future“-Bewegung, die als „Kleinkinderschulschwänzen“ diskreditiert wird, statt sich mit den Inhalten auseinander zu setzen. Das alles war schon längst vor „Rezo“, dazu hatte er denke ich zwar eine Meinung, aber das war eben nicht „Rezo“.

Doch warum steht dann „Rezo“ plötzlich für alles? Ich habe so ein wenig die Befürchtung, viele Menschen stehen unglaublich auf Symbole „Otto von Bismarck“ hat Deutschland geeint … naja, er war beteiligt, aber ohne ihn wäre es auch passiert. Weniger rühmlich das Symbol „Adolf Hitler“ das allen Deutschen Glück und Wohlstand versprochen hat. Auch über das Symbol „Helmut Kohl“ der die deutsche Einheit ermöglichte … ähm, die Demonstranten in der DDR und die Mauertoten ignorieren wir einfach. So steht jetzt halt „Rezo“ als Symbol … nur doof, der hat gar keinen Bock drauf.

Der sagt ja sogar, er ist kein Journalist, die reale Tiefe seiner Inhalte recherchieren und aufbereiten können andere (also Journalisten) viel besser. Er sagt ganz offen er ist kein Wissenschaftler, aber er beruft sich wenigstens auf wissenschaftliche Erkenntnisse und versucht soweit möglich zumindest formalwissenschaftlich zu arbeiten (z.B. Aussagen belegen durch Quellen). Fernsehinterviews oder große Auftritte lehnt er ab, weil er eben Probleme mit stottern bzw. „Festhängern“ hat, wenn er zu sehr emotional dabei ist.

Genau dadurch polarisiert er. Er spricht aus, was viele Deutsche gedacht haben. Er erhebt sich nicht über andere, sondern gibt auch offen und ehrlich seine Schwächen zu (dafür meine aufrichtige Bewunderung in dieser Situation). Er wirkt auf seine Zuschauer authentisch und liefert sachliche Argumente, über die man nachdenken kann bzw. muss. Und dennoch ist er „nur“ ein Youtuber, „nur“ ein Mensch

Doch warum ist dann plötzlich alles „Rezo“? Weil es dadurch einfach wird. Weil man sich dann nicht mit den Inhalten auseinandersetzen muss, sondern die Diskussion auf einen Menschen herunterbrechen und seine ganz persönliche Meinung reduzieren kann. Doch die fast 15 Millionen „Views“ sprechen eben eine andere Sprache. Wieviele Menschen das Video tatsächlich gesehen haben weiß ich nicht (nein 15 Millionen waren es nicht, das ist nur die Zahl wie oft das Video eine Mindestzeit abgespielt wurde). Doch es sind zu viele, als dass es nur um eine Meinung geht. Die Diskussion untermauert dies mehr als eindeutig. Es ist nur verdammt traurig, dass wir einen Youtuber benötigen um endlich mal zu diskutieren, vom ernst nehmen sind wir leider noch meilenweit entfernt.

Das „Rezo“-Phänomen ist eigentlich ein „Stellvertreter“-Phänomen. So kann sich die eine Seite hinter dem Namen verstecken und aus der Deckung heraus argumentieren und die andere Seite braucht ja nur „Rezo“ anzugreifen, alles andere ist ja eh nur von ihm „gelenkt“. Das ist ziemlich beschämend, für beide Seiten.